"An der Drau und Südbahn entlang"

Bild
image

Szenische Konzerte, Konzerte mit Werken von Gustav Mahler und Hugo Wolf, Alban Berg und Anton Webern sowie neuen Kompositionen von Komponistinnen und Komponisten aus Österreich und Israel, von Slovenij Gradec nach Schwabegg / Žvabek nach Mayernigg nach Dobbiaco / Toblach

mit Fahrrad und Eisenbahn zu den Orten und Plätzen der Komposition zu den Orten der Produktion ab Sommer 2023.

Patronanz:
Dr. Peter Kaiser, Landeshauptmann des Landes Kärnten in der Republik Österreich Ing. Reinhart Rohr, 1. Präsident des Kärntner Landtages in der Republik Österreich Herwig Seiser, Fraktionsvorsitzender, Kultursprecher und Vorsitzender des Kulturausschusses des Kärntner Landtages in der Republik Österreich.

Partner:
JAMD - Jerusalem Academy of Music and Dance, Jerusalem. ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater, Klagenfurt-Salzburg-Wien.



Zur Konzeption des Doppelprojekts von Herbert Gantschacher.

 

Die vielfach geübte Verschlagwortung in Geschichte, Kunst und Kultur führt immer wieder zu einer sehr verkürzten manchmal auch üblich üblen Sichtweise auf Ereignisse so auch in Kunst und Kultur.

Die Rede ist hier vom Land Kärnten seinem Verhältnis zu seiner Kulturproduktion und seinen Künstlerinnen und Künstlern. Unbestritten ist, dass das Kärnten ein Land ist, dass auch oder gerade in der Moderne ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf eine Vielzahl von geschaffenen Werken in der Kunst zurückblicken kann, sei es in der bildenden Kunst angefangen beim Nötscher Kreis mit den Malern Anton Kolig, Franz Wiegele und Sebastian Isepp im Zentrum oder auch in der zeitgenössischen Literatur, die unter anderem Büchnerpreisträger und Literaturnobelpreisträger hervorgebracht hat.
Wenn es jedoch um Musik in Kärnten geht, dann hört die Beschäftigung mit Musik sehr schnell bei den Kärntner Chören auf. Dass Kärnten jedoch gerade eine der Keimzellen der modernen neuen Musik war besonders ab der Jahrhundertwende um 1900, das bleibt so gut wie unerwähnt und ist eigentlich ein Rätsel. So wird der Kärntner Seele prominent die Literatur und die bildende Kunst zugeordnet. Hingegen fehlt die Musik. Und das wurde und wird über Jahrzehnte wie folgt begründet, Kärnten hat bekanntlich keinen von den ganz großen Komponisten hervorgebracht - wie etwa Salzburg, Oberösterreich oder das Burgenland. Mit Salzburg wird sozusagen die Familie Mozart benannt und da in ganz besonderer Weise Wolfgang Amadeus Mozart, mit Oberösterreich wird Anton Bruckner in Verbindung gebracht, mit dem Burgenland Joseph Haydn. Nun war zur Zeit des Wirkens der Familie Mozart in Salzburg das Land ein selbständiger Kirchenstaat, die Mozarts kamen von Augsburg nach Salzburg, das heutige Burgenland in der Republik Österreich war bis zum Jahr 1921 Teil von Westungarn und Großteils erst durch eine Volksabstimmung Teil der österreichischen Republik, es wird dabei vor allem Bezug auf Joseph Haydn genommen, der Fachkreisen aber auch als kroatischer Komponist bezeichnet wird, immerhin hat er einiges aus der Volksmusik der kroatischen Bevölkerung in seine Kompositionen einfließen lassen, und sein Bruder Michael Haydn wurde im Kirchenstaat Salzburg Nachfolger von Wolfgang Amadeus Mozart als Komponist am Hofe des Erzbischofs von Salzburg.
Hingegen wird bis heute gern außer Acht gelassen, dass vier bedeutende Komponisten der letzten 150 Jahre mit ihrem musikalischen Schaffen aufs Engste mit Kärnten verbunden sind. Dafür wird selbst der Dichter Robert Musil heute noch zu einem Bürger der Stadt Klagenfurt gestempelt, obwohl in der Kärntner Landeshauptstadt 1880 geboren er nur wenige Wochen hier verbrachte und danach seinen Fuß nie wieder auf Klagenfurts Boden setzte.
Der Komponist und Musikkritiker Hugo Wolf stand auch in enger Beziehung zu Kärnten, sein musikalisches Schaffen steht auch in Korrespondenz zu Kärnten. Geboren wurde Wolf in Slovenij Gradec / Windischgrätz, der heutigen Hauptstadt der Region Koroška in der Republik Slowenien. Hugo Wolfs Mutter kommt aus Naborjet-Ovčja vas / Malborgettho-Valbruna / Malborgeth-Wolfsbach, das zu jenen Teilen Kärntens zählt, die bis zur Implosion der k.u.k. Monarchie des Erzhauses Habsburg im Jahr integraler Bestandteil des Landes Kärnten war. Hugo Wolfs Großmutter war demnach eine Kärntner Slowenin. Zudem besuchte Hugo Wolf in Kärnten das Stiftsgymnasium St. Paul im Lavanttal, den ersten Opernbesuch absolvierte er in Klagenfurt. Hugo Wolf studierte gemeinsam mit Gustav Mahler am Wiener Konservatorium.
Weiters wird immer wieder vergessen, dass Gustav Mahler zwischen 1899 und 1907 den Großteil seiner Werke in Mayernigg am Wörthersee komponiert hat - die Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert, die "Kindertotenlieder" ebenfalls nach Gedichten von Rückert, die vierte, fünfte, sechste, siebte und achte Symphonie ebenfalls auf Arbeiten in Mayernigg zurückgehen, dass der Familiensitz von Alban Berg in der heute zur Stadt Villach zählenden früheren Gemeinde Landskron am Ossiacher See liegt, dass Berg dort im so genannten Berghof und im in der Nähe befindlichen Debishaus sowie später in der Waldvilla in Auen bei Velden auch komponierte - unter anderem sein Violinkonzert, dass die Familie von Anton Webern aus der zweisprachigen Gemeinde Schwabegg / Žvabek kam, dass Anton Webern das Humanistische Gymnasium in Klagenfurt besuchte, dass Webern am heimatlichen Preglhof in Schwabegg / Žvabek und auch in Klagenfurt bis zum Jahr 1917 komponierte, dass er wie Mahler in Kärntens Landschaft und Bergwelt Erholung suchte und Anregungen bekam, dass das Glockengeläute der römisch-katholischen Kirche von Schwabegg / Žvabek Webern in seinem Werk "Sechs Stücke für Orchester op. 6" musikalisch verarbeitete, so dass gesagt werden kann, dass im Glockengeläute der römisch-katholischen Kirche von Schwabegg / Žvabek jener Klang zu finden ist, der sich in Weberns erster Fassung von op. 6 komponiert im Jahr 1909 wiederfindet, und somit eine frühe Form auch der Reihen der Zwölftonmusik darstellt, ein Urklangbild davon ist das Glockengeläute von Schwabegg / Žvabek. Mit dessen Klang war Webern von Kindesbeinen an vertraut, wie Webern auch mit Volksliedern vertraut war wie beispielsweise "Der Tag ist vergangen", das er in seinen Werk "Vier Lieder für Gesang und Klavier op. 12" vertonte. Und nicht außer gelassen werden darf auch die Tatsache, dass Webern als Dirigent auch die Werke Gustav Mahlers aufführte.
So wie sich in Kärnten von 1899 bis 1935 ein Schwerpunkt moderner Musik bildete, genauso modern stellte sich Kärnten schon zu Zeiten von Hugo Wolf und Jahrzehnte später dann zu Zeiten Gustav Mahler mit noch besserer Anbindung an die Welt dar. Kärnten war mit dem modernsten Verkehrsmittel der damaligen Zeit an die Welt angebunden, der Eisenbahn, anfangs mit der Südbahn von Maribor / Marburg aus zuerst bis Klagenfurt und dann bis Villach und später bis Franzensfeste / Fortezza und somit Anbindung an die Brennerbahn in Richtung Innsbruck. Und dann folgte die Anbindung an die Südbahn über das Murtal über den Semmering bis nach Wien, und schließlich und endlich die Anbindung über Tauernbahn nach Salzburg. Somit war Kärnten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert an das damals modernste Verkehrsmittel der Welt angebunden. Und damit kamen weitere Vorzüge zum Tragen nämlich die Landschaft und deren Räume, die Berge und die auf den Gipfeln gebotene Sicht, die Gustav Mahler so sehr schätzte. Und Mahler konnte das alles mit seinen Beruf als Dirigent, Regisseur und Komponist vereinbaren, denn die musikalischen Zentren und Opernhäusern lagen sozusagen am Weg wie das k.k. Hoftheater in Wien, die Opernhäuser in Venedig und in Triest sowie die Opern- und Konzertsäle Europas aber auch der Welt, die in Übersee wie in den USA per Schiff. Und sowohl Hugo Wolf als auch Anton Webern als auch Alban Berg waren somit aus Kärnten kommend mittels Eisenbahn an die Welt angeschlossen.
So wurde also das schnellste und modernste Verkehrsmittel, die Eisenbahn, in Verbindung zu Kärnten von Gustav Mahler genutzt. Ebenso modern war Mahler dann wiederum in Kärnten unterwegs, nämlich mit dem Fahrrad, wenn sich ihm und seiner Freundin, der Bratschistin Natalie Bauer-Lechner, die Gelegenheit dazu bot. Solange Gustav Mahler nicht verheiratet war, sind Ausfahrten und Ausflüge mit dem Fahrrad überliefert. Zudem nutzte Mahler auch schon zu seiner Zeit in den Zügen den Postwaggon zum Transport seines Fahrrads, wenn er beispielsweise nach Dobbiaco / Toblach mit der Bahn fuhr und von dort mit dem Fahrrad weiter in die Berge der Dolomiten nach Cortina d'Ampezzo. Nach der Heirat Mahlers mit Alma Schindler sind keine Ausfahrten oder Ausflüge mit dem Fahrrad in Kärnten mehr überliefert. Ab diesem Zeitpunkt nutzte er bei seinen Ausflügen die Bahn bewegte sich zu Fuß oder mietete einen Wagen, das hieß zu dieser Zeit entweder ein Pferdegespann oder einen Personenkraftwagen. Schon im Sommer 1899 wurde die Suche nach einem Seegrund mit dem Fahrrad gemacht. Gustav Mahler hatte seine Schwester Justine, die Sängerin Anna Mildenburg und die Bratschistin Natalie Bauer-Lechner mit der Suche nach einem geeigneten Grundstück am Wörthersee in Kärnten beauftragt. Und die drei Frauen wurden bei einer Fahrradtour im August 1899 auch in Mayernigg fündig. Für 1899 und 1900 wurde die Villa Antonia gemietet, bis dann ab 1901 Gustav Mahlers eigenes Haus am See zur Verfügung stand.
Und auch der Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Arnold Rosé fand sich in der Villa Antonia in Mayernigg am Wörthersee ein, um mit Mahler beispielsweise an der Vorbereitung der Arbeitsproben an dessen vier Symphonie mit den Wiener Philharmonikern mitzuwirken oder aber auch ausgedehnte Spaziergänge gemeinsam mit Gustav Mahler und Natalie Bauer-Lechner zu unternehmen, die die drei unter anderem auf den Klagenfurter Hausberg, den Kreuzberg - heute als Kreuzbergl bezeichnet, wo Gustav Mahler sozusagen einem Musikhappening beiwohnte, dort waren beim oberen Teich auf der Wiese zahlreiche Ringelspiele, Schaukeln, Schießbuden, Kasperltheater, die Militärmusik, und sogar ein Männergesangsverein vertreten, die auf ein und derselben Wiese ohne gegenseitige Rücksicht ihrem Geschäft als Schausteller oder Musiker nachgingen, was Mahler zu seiner Aussage bewegte, "Hört ihr's ? Das ist Polyphonie und da hab ich's her!" Nun solche Art von Festen und Aufmärschen kannte Mahler auch schon aus seiner Jugendzeit im böhmischen Iglau / Jihlava.
Und das Ganze liest sich wie ein Musikhappening des Komponisten John Cage, der bekanntlich ja ein Schüler von Arnold Schönberg war nach dessen Flucht im Jahr 1933 aus Europa nach Los Angeles in die USA. Die Nationalsozialisten im Deutschen Reich waren demokratisch an die Macht gekommen, brauchten also die Macht nicht zu ergreifen, weil diese ja von vermeintlich demokratischen Kräften ihnen sozusagen am Silbertablett überantwortet wurde, spätestens dann, als am 24. März 1933 im Deutschen Reichstag Abgeordnete wie Theodor Heuss - der spätere erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland - für das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten stimmten, den Nazis somit demokratisch auch eine laut Verfassung notwendige Zweidrittelmehrheit verschafften zur Beseitigung der Demokratie in der Weimarer Republik. Diese Tatsache der parlamentarisch demokratisch legitimierten Machtergreifung der Nationalsozialisten bahnte den Nationalsozialisten den Weg zu deren totalitären Herrschaft.
Nun war ja Arnold Schönberg am musikalischen Werk Gustav Mahlers geschult und hatte seine "Harmonielehre", erschienen zwischen 1911 und 1922, Mahler gewidmet, also nach Weberns Komposition der "Sechs Stücke für Orchester op. 6" aus dem Jahr 1909, in der Webern das Glockengeläute der römisch-katholischen Pfarrkirche von Schwabegg / Žvabek und die Klangreihen der Glocken leitmotivisch verwendete, sozusagen ein Urbild der Reihen der Zwölftonmusik. Dies hatte Schönberg in seiner "Harmonielehre" auch im ersten Satz des Vorworts vermerkt: "Dieses Buch habe ich von meinen Schülern gelernt".
Nun war also John Cage sowohl an Gustav Mahler als auch an seinem Lehrer Arnold Schönberg geschult und entwickelte daraus auch so genannte Musikhappenings wie den "Music Circus" aus dem Jahr 1967, der ähnlich abläuft wie das Musikhappening am Kreuzberg in Klagenfurt im Jahr 1900. Davon gibt Natalie Bauer-Lechner in ihren Manus- und Typoskript Zeugnis, das in redigierter und revidierter Buchform zwei Jahre nach Bauer-Lechners Tod 1923 erschien. Die Salzburger Festspiele brachten John Cages "Music Circus" im Jahr 2011 zur Österreichischen Erstaufführung, wobei der Intendant der Festspiele, der Pianist Markus Hinterhäuser dazu anmerkte: "Die muhende Kuh eines Bauern hat bei Cages 'Music Circus' die gleiche Wertigkeit wie eine Arie vorgetragen von Anna Netrebko." Das Ganze liest sich wie eine Spielanleitung zu Gustav Mahlers musikalischem Erlebnis am Klagenfurter Kreuzberg, niedergeschrieben von Natalie Bauer-Lechner in ihrem Originalmanuskript und Originaltyposkript über die musikalische Visionen Gustav Mahlers. Und womit sich über John Cage auch der Kreis zu Gustav Mahler und dessen Verwendung von Schellen, Kuhglocken und Hammer in seinen Werken auf diese Weise schließt.
Nicht nur in beruflicher Hinsicht sondern auch in vertrauter privater Beziehung zu Gustav Mahler standen der Konzertmeister des k.k. Hofopernorchesters und der Wiener Philharmoniker, der Geiger Arnold Rosé, und dessen Bruder, der Cellist Eduard Rosé. Arnold Rosé besuchte Gustav Mahler bereits im Sommer 1900 in der Villa Antonia in Mayernigg, um mit Mahler an dessen Kompositionen in praktischer Natur zu arbeiten konkret am Violinsolo im Scherzo des dritten Satzes der vierten Symphonie, dessen Partitur Mahler Arnold Rosé widmete. Zudem war Arnold Rosé mit Mahlers Schwester Justine verheiratet, die 1938 verstarb. Und mit Mahlers jüngerer Schwester Emma Marie Eleanor war Alfred Rosé verheiratet, die 1933 verstarb. So war es den beiden Schwestern Gustav Mahlers erspart geblieben, was ihren Ehemännern Alfred Rosé und Arnold Rosé sowie der Tochter von Arnold und Justine Rosé, Alma, in der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten wiederfahren sollte.
Jedenfalls wurde Kärnten bis zum Jahr 1935, dem Todesjahr von Alban Berg ein in jeder Hinsicht Zentrum der modernen Musik. Während der austrofaschistische Ständestaat die neue Musik zumindest aus den Radioprogrammen weitgehend verbannte, konnte die neue Musik bis 1938 noch eher im Verborgenen weiter existieren, wie dies auch aus dem Schicksal von Anton Webern ersichtlich ist. Noch im Jänner 1938 konzertierte die grandiose Geigerin Alma Rosé mit ihrem Frauenkammerorchester "Wiener Walzermädeln" im Kleinen Musiksaal in Klagenfurt. Alma Rosé war davor mehrmals mit ihrem Frauenkammerorchester in Kärnten aufgetreten. Es war dies eine Art szenisches Konzert, wie sie dann ab den 1990er von ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater zusammen mit Kärntens Kammerorchester "ensemble kreativ" bestehend aus Mitgliedern des Kärntner Symphonieorchesters für neue Formen des Konzerts mit neuer Musik entwickelt worden sind und wie auch heute weiter vom Kammerorchester "arbos-ensemble" von ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater weiterentwickelt werden auch unter Einbeziehung des Visuellen Theater und der Gebärdensprache.
Einer breiten Öffentlichkeit ist es wenig bekannt, dass Arnold Rosé, der Sologeiger und Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, ein überzeugter republikanischer Demokrat gewesen ist. Als Tonkünstler und Konzertmeister des Opernorchesters und der Wiener Philharmoniker gehörte er im Jahr 1920 zu den dreißig österreichischen Unterzeichnern des Manifests gegen Nationalismus und Nationalsozialismus und für ein demokratisches Europa von Romain Rolland und Georg Friedrich Nicolai, unter denen auch die Komponisten Josef Matthias Hauer, Erich Wolfgang Korngold und Egon Wellesz aber auch der Philosoph, Reformpädagoge und Pazifist Wilhelm Jerusalem oder Dichter Stefan Zweig zu finden waren. In diesem politischen und geistigen Umfeld wuchs Alma Rosé auf.
Dass sich Arnold Rosé mutig als Gegner der nationalsozialistischen Ideologie in der Öffentlichkeit schon 19 Jahre vor dem nationalsozialistischen Anschluß Österreichs präsentiert hat, wurde er spätestens ab dem 12. März 1938 nach dem gewaltsamen militärischen und politischen Vollzug des Anschluss die Nationalsozialisten für seine Courage abgestraft. Er wurde als Konzertmeister der Wiener Philharmoniker entlassen, er konnte mit seiner Tochter Alma Rosé nach Zahlung der Reichsfluchtsteuer nach London flüchten und wurde ausgebürgert. Bruder Eduard Rosé konnte sich der folgenden Terrorherrschaft der Nazi-Diktator nicht entziehen, wurde ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und dort im Jänner 1943 ermordet. Auch Alma Rosé geriet in die Fänge der Nazi-Diktatur, nachdem sie Konzerte in Holland gegeben hatte. Nach der Okkupation Hollands und Frankreichs wurde sie 1943 vom französischen Internierungslager Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz. Dort kam sie zuerst in die Abteilung für medizinische Versuche von Dr. Josef Mengele. Als sie sich als Musikerin zu erkennen gab und noch einmal vor ihrem Tod spielen wollte, überzeugte sie bei diesem Vorspiel auf Leben und Tod, so dass ihr die Leitung des Frauenorchesters von Auschwitz-Birkenau übertragen wurde. Und Alma Rosé ist das Werk, Leben mit Hilfe der Musik im Angesicht des Todes zu retten, so gut wie gelungen, nur drei Musikerinnen starben im Konzentrationslager darunter auch Alma Rosé selbst, die an den Folgen einer Vergiftung am 5. April 1944 in Auschwitz starb, der Umstände von Alma Rosés Tod ließen auf einen Mord durch Vergiftung schließen, sodass der SS-Arzt Dr. Josef Mengele selbst eine Obduktion mit der klinischen Diagnose Meningitis in Auftrag gab und das in einem Vernichtungslager mit Tausenden von Ermordeten täglich. Die Diagnose der in Auschwitz inhaftierten Ärztin Manca Švalbová bewegte sich in Richtung Vergiftung durch Methylalkohol, denn Alma Rosé bestätigte ihre gegenüber, dass sie Wodka getrunken habe, und in Auschwitz war dann zumeist Methylalkohol im Spiel. Das Schicksal von Alma Rosé hatte Anita Lasker-Wallfisch - sie war die Cellistin in Alma Rosés Frauenorchester von Auschwitz - in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk treffend charakterisiert: "An Ihrer Wiege stand Gustav Mahler, an ihrer Bahre Josef Mengele". In jedem Fall ist es Alma Rosé gelungen, selbst an einem solchen Schreckensort wie Auschwitz ihre künstlerische Konzeption der "Wiener Walzermädeln" auf musikalischem höchstmöglichem Niveau wiederzubeleben.
Und doch gab es zu dieser Zeit eine sehr bemerkenswerte Rezeption der Musik von Gustav Mahler durch das 1936 gegründete Palestine Symphony Orchestra, dem heutigen Israel Philharmonic Orchestra. Ab 1937 wurde regelmäßig auch in der Zeit des Zweiten Weltkriegs Werke Mahlers in Palästina gespielt. Und auch die Gründung der JAMD - Jerusalem Academy of Music and Dance hatte in den 1930er Jahren einen Österreichbezug, als emigrierte Musiker aus Wien diese wichtige Institution zur Ausbildung junger Musikerinnen und Musiker in Jerusalem begründeten. Nachdem Zweiten Weltkrieg trug Leonard Bernstein zusammen mit dem Israel Philharmonic Orchestra wesentlich dazu bei, dass Mahler ein fixer Bestandteil der Konzertszene wurde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch Bernsteins Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern und dem Sänger Thomas Hampson zum symphonischen Werk und den Liedern von Gustav Mahler. Und es war Leonard Bernsteins Plan mitten in der Waldheimaffäre mit den Wiener Philharmonikern in Israel Werke von Gustav Mahler zu spielen. Der österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim hatte seine Mitwisserschaft über die Naziverbrechen und die Deportationen jüdischer Personen über Jahrzehnte verschwiegen. Und da wollte Bernstein mit Konzerten der Wiener Philharmoniker in Israel einen kulturpolitischen Kontrapunkt setzen. Allein es kam nicht dazu, denn Waldheim lehnte eine derartige Initiative ab mit den Worten, "Auch das tut ihr mir noch an", womit auch klar gestellt ist, wessen Geistes Kind Waldheim war.
Gustav Mahler war der Ahnherr und Erfinder des Musikbolschewismus. Mit dieser irreführenden Ansage begann die Ausstellung "Entartete Musik" ihre Abrechnung mit Komponisten und Musikern, die sich ganz offenbar ihre musikalische Arbeit nicht am germanischen Klanggrundgesetz, dem Dreiklang allein ausrichteten - nun ist aber ein germanischer Dreiklang keine Musiksprache sondern nur ein willkürlich erfundener Begriff, um die Musik in den Dienst der Propaganda der nationalsozialistischen Ideologie zu stellen. Über "Entartete Musik" und nationalsozialistische Kulturpolitik mittels Musik berichteten in der Ostmark am häufigsten Kärntner Tageszeitungen wie die "Freien Stimmen" und dann die "Kärntner Volkszeitung Deutsches Grenzblatt".
Obwohl als Präsident der nationalsozialistischen Reichsmusikkammer zurückgetreten, blieb Richard Strauss der allererste Propagandist nationalsozialistischer Kulturpolitik. Er eröffnete gleichsam mit seiner Komposition "Festliches Präludium Op. 61" programmatisch am 22.Mai 1938 die Reichsmusikwoche. Mehrere kulturpolitische Aspekte des Nationalsozialismus umfasste die Reichsmusikwoche, als Eröffnungstag wurde der 125. Geburtstag des Antisemiten und Rassisten Richard Wagner gewählt. Ideologisch stand Adolf Bartels Text "Der deutsche Verfall" aus dem Jahr 1913 in Korrespondenz zur Komposition "Festliches Präludium Op. 61" von Richard Strauss eben auch aus dem Jahr 1913, die er für die Eröffnung der Reichsmusikwoche im Jahr 1938 neu komponierte.
Und als einen weiteren Höhepunkt wurde die Ausstellung "Entartete Musik" gezeigt, in der der Förderer der musikalischen Karriere von Richard Strauss als Dirigent und Komponist, Gustav Mahler, als Grundübel der Musik des 20. Jahrhunderts herabgewürdigt wurde. Die Ausstellung geriet zu einer Generalabrechnung mit dem Musikschaffen in Mitteleuropa in den letzten Jahrhunderten. In der Ausstellung wurde dem Komponisten Anton Webern und Ernst Krenek eine eigene Schautafel gewidmet Das Plakat der Ausstellung karikierte Kreneks Oper "Johnny spielt auf" mit einem im Smoking gekleideten schwarzen Saxophonisten, der einen Judenstern trug. Über Webern heißt es in der Ausstellung wortwörtlich: "Anton Webern, ein 'Meisterschüler' Arnold Schönbergs übertrumpft seinen Dresseur noch um etliche Nasenlängen." Unter dem Titel "Wer von Juden ißt, stirbt davon" wurde die Titelseite der Partitur von Alban Bergs "Wozzeck" in der Ausstellung "Entartete Musik" gezeigt und nahm ganz konkret Bezug auf den frühen Tod von Alban Berg im Jahr 1935 nicht im Sinne der Pietät sondern als Ausdruck schlimmster menschenverachtender Propaganda.
Zu all dem schwieg Richard Strauss beredt, setzte aber sichtbare und vor allem hörbare Zeichen für die Ideologie der Nationalsozialisten als Dirigent, Komponist, Funktionsträger und Unterzeichner von Appellen.
Zu Richard Strauss und Gustav Mahler hatte sich Jahre zuvor schon Alban Berg fundiert geäußert: "Die Kritiker, die Mahler das zu große Orchester und das Titanische vorwerfen, bewundern die Kraft der Alpensymphonie. Aber die wahre Kraft ist bei Mahler. Die Alpensymphonie macht nur gewaltigen Lärm - einen richtigen Heidenlärm".
Ein Jahr davor 1937 wurde in München und in Berlin die Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt, die vom Kunstmaler und nationalsozialistischen Kulturpolitiker Adolf Ziegler arrangiert worden war, der mit Hans Severus Ziegler, dem Kurator der Ausstellung "Entartete Musik", nicht verwandt war. Somit hatte die nationalsozialistische Kulturpolitik nach der Berliner Bücherverbrennung 1933 einen weiteren öffentlich wirksamen Schritt gesetzt.
Während es keine bedeutenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der bildenden Kunst gab, die sich nationalsozialistisch gebärdeten, war dies in der Literatur und besonders in der Musik anders. Komponisten und Dirigenten der klassischen Musik und der zeitgenössischen Moderne sowie der Musikkreise bekannten sich ganz offen zur nationalsozialistischen Kulturpolitik in der Musik, wie die Dirigenten Karl Böhm, Wilhelm Furtwängler, Hans Knappertsbusch, die Komponisten und Dirigenten Richard Strauss, Hans Pfitzner, Werner Egk, Carl Orff und die großen Orchester des Großdeutschen Reiches wie die Berliner und die Wiener Philharmoniker, die alles unternahmen, um als eigener Klangkörper auch in der NS-Kulturpolitik eine Rolle zu spielen.
Die programmatische ideologische Ausrichtung der Salzburger Festspiele unter nationalsozialistischer Führung gab Friedrich Rainer vor, der Kärntner Gauleiter der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei in Salzburg, der dann ab 1940 zum Reichsstatthalter von Kärnten ernannt worden war. Der Kärntner Lehrer und Hobbyhistoriker Friedrich Rainer hielt also 1938 die allererste Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele und räumte somit Kärnten in der Kulturpropaganda des Großdeutschen Reiches eine Vorreiterrolle ein. Die nationalsozialistische Kulturpolitik gab sich also in Bezug auf die Verwendung der Salzburger Festspiele als Teil der nationalsozialistischen Propaganda innovativ. Diese Tradition einer programmatischen Rede zur Festspieleröffnung wurde ab 1964 wiederaufgenommen. Und nach dem Ende der Salzburger Festspiele Ende August 1938 wurde im Festspielhaus die Ausstellung am 6. September 1938 "Entartete Kunst" von Gauleiter Dr. Rainer feierlich eröffnet. Der große propagandistische Erfolg aber auch Publikumserfolg der beiden Ausstellungen "Entartete Kunst" und "Entartete Musik" führte im Frühling 1939 dazu, dass beide Ausstellungen im Wiener Künstlerhaus als Doppelausstellung gezeigt wurden. Zwei Besonderheiten zeichneten die Wiener Doppelausstellung "Entartete Kunst und Musik" aus. Sie waren die bestbesuchtesten Ausstellungen im Wiener Kunst- und Kulturleben der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Der Ausstellungsteil über "Entartete Musik" war für die Wiener Ausstellung extra mit besonders vielen Hörbeispielen ausgestattet worden.

Zudem wurde die Propaganda für den germanischen Dreiklang von der gleichgeschalteten Reichsmusikkammer reichlich finanziell gefördert, sodass bei den Reichsmusiktagen 1939 in Düsseldorf wieder zum Geburtstag des rabiaten Antisemiten und ebenso rabiaten Rassisten Richard Wagner eine große Werkschau der musikalischen Propaganda in Szene gesetzt werden konnte. Es waren dies zudem die letzten Reichsmusiktage der nationalsozialistischen Kulturpolitik, denn ab 1. September 1939 herrschte Krieg, der Vernichtungsfeldzug durch die Deutsche Wehrmacht in Europa nahm ihren Anfang, und in den Konzentrationslagern und Todesfabriken der SS wurden Millionen von Menschen vornehmlich Juden ermordet. Das von den Nazis publizierte "Lexikon der Juden in der Musik" kommentierte dies mit folgenden Worten: "Die Reinigung unseres Kultur- und damit auch unseres Musiklebens von allen jüdischen Elementen ist erfolgt. Klare gesetzliche Regelungen gewährleisten in Großdeutschland, daß der Jude auf den künstlerischen Gebieten weder als Ausübender noch als Erzeuger von Werken, weder als Schriftsteller noch als Verleger oder Unternehmer öffentlich tätig sein darf". Wer noch nicht aus dem Deutschen Reich vertrieben worden war wie beispielsweise der Musiker und Komponist Erwin Stein - bekannt geworden als Bearbeiter der vierten Symphonie von Gustav Mahler für Kammerorchester und Mitbegründer und Mitverleger des Musikverlags der Universal-Edition, war nun der physischen Auslöschung ausgeliefert. Das Überleben in diesem totalitären System war reine Glückssache. Dementsprechend groß war der Kulturverlust in Europa. zum Glück blieben den Nazis und ihren Verbündeten der Griff nach dem Endsieg versagt. und so kapitulierte dann das Deutsche Reich am 8. und 9. Mai 1945, nachdem es Europa in Schutt und Asche gelegt hatte, wie das Japanische Kaiserreich nach dem Abwürfen der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki am 2. September 1945 militärisch kapitulierte.
Es wird Jahrzehnte brauchen, um diesen Schaden in der Musik zumindest in Konzerten und Aufführungen wieder zu beheben. Aus der Fülle der künstlerischen Produktion erwähne ich hier nur zwei Bespiele korrespondierend zu Gustav Mahler und Alban Berg. Gustav Mahlers zehnte Symphonie blieb unvollendet, über Jahrzehnte wurde daran gearbeitet, eine Fassung zu erstellen begonnen mit Ernst Krenek in den 1920er Jahren. Danach sorgte die nationalsozialistische Kulturpolitik dafür, dass Mahler in der Versenkung verschwand und das gründlich. Schon sehr bald nach 1945 erfolgte die Wiederbefassung mit dem Werk Gustav Mahlers, wobei der Philosoph aber auch Komponist Theodor W. Adorno mit seinen präzisen analytischen Vorträgen ab 1960 wesentliche Leistungen erbrachte - Adorno war ein Kompositionsschüler von Alban Berg, mit dem er zusammen auf zwei Klavieren zu vier Händen auch einige von Mahlers Symphonien spielte an zwei Klavieren zu vier Händen darunter auch die sechste Symphonie bearbeitet von Alexander Zemlinsky für zwei Klaviere zu vier Händen. Und auch die Arbeit an der Erstellung einer Fassung der zehnten Symphonie wurde wiederaufgenommen, die dann 1980 vom Dirigenten Simon Rattle und dem Bournemouth Symphony Orchestra erstmals gespielt worden ist. Erstellt wurde diese Fassung von Deryck Cooke, Berthold Goldschmidt, Colin Matthews und David Matthews. Auch Alban Bergs Oper "Lulu" blieb unvollendet, gespielt wurde bis in die 1970er Jahre entweder die Oper als Fragment gemäß der Uraufführung am Opernhaus Zürich 1937 sowie die von Berg selbst erstellte "Lulu-Symphonie" - heute bezeichnet als "Lulu-Suite für Koloratursopran und Orchester". Erst der Komponist Friedrich Cerha hatte den dritten Akt der Oper fertig instrumentiert. Uraufgeführt wurde die dreiaktige komplette Oper "Lulu" am 24. Februar 1979 in der Pariser Opéra Garnier durch den Dirigenten Pierre Boulez in der Inszenierung von Patrice Chéreau mit Bühnenbild von Richard Peduzzi und den Kostümen von Jacques Schmidt. Die österreichische Erstaufführung dirigierte dann Friedrich Cerha selbst in der Spielzeit 1981/1982 am Grazer Opernhaus in der Inszenierung von Hans Hollmann, im Bühnenbild von Wolfgang Mai und mit Kostümen von Hanna Wartenegg, die meine Professorin für Kostümkunde war an der Grazer Hochschule für Musik und darstellende Kunst - heute Kunstuniversität, dort habe ich Bergs Oper "Lulu" zum ersten Mal selbst auf der Bühne gesehen.
Jahrzehntelang wurden nach 1945 die Salzburger Festspiele von vom Führer auserwählten gottbegnadeten Dirigenten beherrscht wie eben Furtwängler, Böhm und Karajan. Erst nach dem Tod dieses Dreigestirns wurde mit der Intendanz der Salzburger Festspiele durch Gerard Mortier ein Bruch vollzogen, und das geschah erst in den 1990er Jahren.
Die moderne bildende Kunst und die moderne Musik bilden im Tel Aviv Museum of Art seit Jahrzehnten eine korrespondierende Einheit durch die Sammlungen, zu denen auch jene des bildenden Künstlers Markus Mizne und der Pianistin Felicja Blumental zählt, sowie das Felijca Blumental International Music Festival. Ebendort im Tel Aviv Museum of Art beim Felijca Blumental International Music Festival wurde am 30. März 2019 Viktor Ullmanns Anti-Kriegsoper "Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung" in der Originalfassung des Komponisten in einer Inszenierung für Puppentheater produziert von ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater zum ersten Mal in Israel gespielt 75 Jahre nach der Ermordung Ullmanns in der Gaskammer in Auschwitz am 18. Oktober 1944 mit dem Giftgas Zyklon B, das verwandt ist mit dem Giftgas Blaukreuz aus dem Ersten Weltkrieg. Ullmann wurde im Ersten Weltkrieg am 24. Oktober 1917 als Artilleriebeobachter Zeuge des Giftgasangriffs im Oberen Isonzotal bei Bovec mit den Giftgasen Grünkreuz und Blaukreuz.
Der Nationalsozialismus war keine Erfindung des Deutschen Reichs, der Nationalsozialismus war das Ergebnis der Politik des Erzhauses Habsburg in der k.u.k. Monarchie und wurde politisch erst nach dem Ersten Weltkrieg ins Deutsche Reich sozusagen exportiert. Das Thema der "Entartung" ist auch keine Erfindung der Nationalsozialisten sondern ebenso ein Ergebnis der Kulturpolitik der k.u.k. Monarchie, zu diesem Thema verfasste Max Nordau 1892 sein kulturpolitisches Hauptwerk mit dem Titel "Entartung". Kärntens Präsenz in der neuen Musik des zwanzigsten Jahrhundert blieb ab 1935 für mehrere Jahrzehnte unterbrochen. Erst der Komponist und Pianist Friedrich hatte dann mit ab 1968 mit seinem "Musikforum Ossiach" für Kärnten neue Impulse geliefert. Für uns junge Leute damals in Kärnten waren da besonders die Konzerte mit dem Pianisten Keith Emerson und seiner Gruppe "The Nice" sowie mit Alvin Lee und seiner Gruppe "Ten Years After" die musikalischen Aufreger. 1969 interpretierte der Keith Emerson am Klavier und auf der Hammondorgel klassische Musik wie das Intermezzo aus der "Karelia-Suite" von Jean Sibelius, Bachs "Brandenburgische Konzerte" oder aus Bernsteins "Westside Story" das Lied "America" mit der berühmten Zeile "Nobody knows in America, Puerto Rico is America". Denn Dank Friedrich Gulda und seiner innovativen Form eines die Musikgenres sprengenden Festivals mit dem "Musikforum Ossiach" konnten wir junge Leute jene Musiker hören und sehen, die wir nur als legendäre Gestalten von einigen Schallplatten kannten. So hatte der Gitarrist Alvin Lee 1969 beim legendären Festival "Woodstock" mit "Ten Years After" sein grandioses Solo im Lied "I'm going home" hingelegt. Und Ossiach lag auch für uns im Bereich der eigenen Erreichbarkeit durch Fahrräder. Also radelten wir nach Ossiach zu Alvin Lee, der dort auch einen Workshop gab zu klassischer Gitarrenmusik in Verbindung mit Polyphonie und Polytonitalität, mit Musik war ich schon vertraut durch die musikalische Grundschulung am Kärntner Landeskonservatorium durch Unterricht in den Fächern Gesang und Kompositionstechnik bis zum Generalbassschreiben. Das war das für mich Verblüffende, dass der Gitarrist Alvin Lee aus der Rockmusik auch über grundsolide Ausbildung in klassischer Musik verfügte. Zudem brachte Gulda auch die Gruppe "Pink Floyd" als Ersatzprogramm für die geplanten "Deep Purple". Gulda wollte ursprünglich das "Concerto for Group and Orchestra" von Jon Lord mit dem Münchner Kammerorchester unter der Leitung des Dirigenten Eberhard Schoener nach Ossiach bringen, leider war "Deep Purple" für den Sommer 1971 schon ausgebucht, und so kamen "Pink Floyd" als Ersatzprogramm nach Ossiach. Phänomenal waren auch Guldas Programme in Richtung Jazzmusik wie mit dem Saxophonisten John Surman oder das Konzert "Noon in Tunisia", das Elemente des Jazz und der Volksmusik aus Tunesien miteinander verband in großartiger Besetzung mit George Gruntz am Klavier und E-Piano, Jean-Luc Ponty an der Violine, Sahib Shihab mit Sopransaxophon, Flöte und Tambourin, Eberhard Weber am Kontrabass, Daniel Humair am Schlagzeug, Salah El Mahdi mit Ney, Darbouka und Bendire, Jelloul Osman mit Mezouded, Tabla und Bendir, Mokta Slama mit Zoukra und Bendir sowie Hattab Jouini mit Tabla, Dabouka und Bendir produziert von Joachim-Ernst Berendt.
Auch Österreichs Avantgarde neuen Musik fand sich in Guldas "Musikforum" Ossiach wieder wie beispielsweise auch der Kärntner Komponist Dieter Kaufmann oder Otto M. Zykan, der dann in Österreich einer breiten Öffentlichkeit durch seine ausgesprochen moderne und extravagante Werbung für die Schuhfirma "humanic" bekannt geworden ist und in einem dieser Werbespots auch die Österreichische Gebärdensprache der Gehörlosen verwendete.
Friedrich Guldas "Musikforum" hatte in Ossiach und dann in Velden am Wörthersee jeweils nur zwei Jahre Bestand, wurde auch von der CIA überwacht und wurde dann in einer Art Kulturputsch durch das Festival "Carinthischer Sommer" unter der Leitung von Helmut Wobisch ersetzt, der bekennender Nationalsozialist und Mitglied der SS war und eine unrühmliche Rolle bei der Vertreibung der jüdischen Mitglieder der Wiener Philharmoniker spielte, jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg pardoniert sogar zum Vorstand des Orchesters aufstieg. Ab 1.3.1933 Mitglied der NSDAP und seit November 1934 der SS war Wobisch ab 1938 für die Vertreibung jüdischer Musiker aus Wien hauptverantwortlich auch als Geschäftsführer des Vereins "Wiener Philharmoniker". Am 1.5.1945 wurde Wobisch fristlos entlassen, die Wiederindienststellung erfolgte am 8.4.1951, die US-Behörden hatten Wobisch einen Persilschein ausgestellt, Jedenfalls war Wobisch bestens vernetzt auch mit Melvin J. Lasky, dessen kulturpolitische Tätigkeit auch von der CIA mitfinanziert worden war. Denn gerade wegen Musikfestivals wie "Woodstock" war die US-amerikanische Politik in Aufruhr geraten und wollte eine weitere Verbreitung um jeden Preis verhindern.
Und ähnliches war im Osten Europa geschehen, als das Musikfestival der avantgardistischen Musikband "Plastic People Of The Universe" über den Prager Frühling hinweg nach 1968 auch im Prager Winter weiterhin stattfand im Untergrund und trotz Überwachung durch den KGB und lokale Geheimdienste weiterhin existierte. Später dann im Jahr 1976 wurden die Musiker von "Plastice People Of The Universe" verhaftet und als "Störenfriede" gerichtlich verurteilt. Dies war der Anlass der Gründung der "Charta 77", die von regimetreuen tschechoslowakischen Musikerinnen und Musikern mit der "Anti-Charta 77" beantwortet wurde, deren Galionsfigur der Schlagersänger Karel Gott war. 1989 war dann dieses System politisch und wirtschaftlich bankrott, als gelerntem Wendehals gelang Karel Gott dann auch im neuen politischen und wirtschaftlichen System eine große Karriere. So brachte Friedrich Gulda mich über den Weg grandioser Rockmusiker zur modernen neuen Musik aber auch zur klassischen Musik. Vom so genannten Skandalkonzert in Wien am 31. März 1913 hatten wir zwar im Musikunterricht gehört, jedoch ein Begriff blieb mir Igor Strawinskys "Le sacre de printemps" und die Uraufführung ebenfalls im Jahr 1913 geriet zu einem Skandal, wobei mir nicht so ganz klar war, wo der Skandal liegen konnte, denn Strawinskys Musik ist im besten Sinn des Wortes modern und ebenso auch die Choreographie von Vaslav Nijinsky der Tanzkompanie von Sergej Diagilew. Während also im österreichischen Radio der 1960er Jahre die klassische Musik aber auch die Volksmusik anödete - einfach in der Art und Weise, wie sie gespielt wurde, war Guldas Präsentation der Genre der Musik vielfältig und eindrucksvoll. Nach einer Pause von mehr als dreißig Jahren machte Kärnten wieder in der Musik von sich reden.
Jedoch fragmentarisierte das Ende des "Musikforum" die Moderne in Kärnten im Bereich der "Performing Arts" auf Jahre hin. Es sind dann Einzelinitiativen, die an Kärntens Bedeutung im Bereich der neuen Musik arbeiteten und arbeiten wie Dieter Kaufmann und sein Ensemble, im Besonderen ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater mit den Kammerorchestern "ensemble kreativ" und dem "arbos-ensemble" oder auch die Wiedererstehung von Friedrich Guldas "Musikforum" in Viktring mit der Vergabe des Gustav-Mahler-Kompositionspreises unter der Leitung von Paul Gulda. Viktring liegt ja ganz in der Nähe von Mayernigg, Gustav Mahlers zentralem Schaffensort seiner musikalischen Werke in Kärnten, oder die Alban Berg Musikschule in Schiefling am Wörthersee, in dieser Gemeinde befindet sich auch in Auen Alban Bergs Waldhaus. Wie moderne Interpretation der Musik des 20. Jahrhunderts auch für ein Publikum aufbereitet werden kann, bewiesen 2004 der Dirigent Simon Rattle und der Choreograph Royston Maldoom mit der Produktion von Strawinskys "Le sacre de printemps" mit den Berliner Philharmonikern und mit 250 in Berlin lebenden Kindern und Jugendlichen aus 25 Ländern, dass es einen Zugang zu moderner Musik und modernem Theater für alle gibt nicht nur für einen elitären Kreis von Besucherinnen und Besuchern von Theatern, Konzerten, Opernhäusern und Museen.
Zudem muss sich Kunst, Theater und Musik in Räumen präsentieren und erproben, die nicht a priori dafür geschaffen worden sind wie auf Bahnhöfen mit Musiktheater, Konzerten aber auch Ausstellungen wie geschehen 1998 als europäisches Opernprojekt mit drei Opern im fahrenden Zug durch Europa auf den Spuren des Holocaust mit dem Stück Musiktheater "19182338 kein Anschluss unter dieser Nummer" von Werner Raditschnig (Musik) und Herbert Gantschacher (Libretto), der Tanzoper "La vieille dame et la fille nomade" von Peter Swinnen (Musik) und Lydia Chagoll (Libretto) in Verbindung mit Steve Reichs "Different Trains" gespielt als szenisches Konzert durch das "ensemble kreativ" produziert von ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater, die seit 2017 auch permanent den Klagenfurter Hauptbahnhof bespielt. Oder das Erschließen neuer Klangräume wie geschehen mit der Bergoper "Kar" von Herbert Lauermann (Musik) und Christian Fuchs (Libretto) 1994 in 2300 Meter Seehöhe am Reißeck in Kärnten im Unteren Hohlgang der Staumauer des Großen Mühldorfer Sees. Oder da Bespielen von Originalschauplätzen des Ersten Weltkriegs im Alpe-Adria-Raum von der hochalpinen Landschaft der Berge bis ans Adriatische Meer.
Auch in der modernen Musik und der Rockmusik werden solche und ähnliche Projekte weitergeführt wie Uri Caine mit seinen Bearbeitungen von Stoffen von Gustav Mahler wie "Urlicht" oder "Mahler in Toblach" oder das Projekt "Lulu" als Fortführung der grandiosen Oper Alban Bergs durch den Sänger Lou Reed und die Rockformation "Metallica". Berühmt wurde "Metallica" mit ihrem Lied "One" nach dem Anti-Kriegsroman "Johnny zieht in den Krieg / Johnny Got His Gun" von Dalton Trumbo nach einer wahren Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg, ein US-amerikanischer Soldat wird an der französisch-deutschen Front durch eine Artilleriegranate derart schwer verletzt, dass er taub und blind wird, Arme und Beine verliert sowie das Augenlicht und das Gehör, so dass er nur mehr über den Tastsinn verfügte. Und trotzdem kann er kommunizieren mit Hilfe des Morsealphabets, dass er als Beobachter zur Kommunikation erlernt hat. Dieses Lied spielen "Metallica" des Öfteren mit dem chinesischen Pianisten, wobei dann im Zusammenspiel auch Obertonreihen sowie die Reihe aus der neuen Musik des 20. Jahrhunderts eine Rolle spielen. "Metallica" sind ja auch bekannt durch deren Zusammenarbeit mit dem San Francisco Symphony Orchestra. Die Rockband und das Symphonieorchester spielten zusammen auch Kompositionen der so genannten klassischen Musik der Moderne wie die "Skytische Suite" von Sergej Prokofjew oder "Die Eisengießerei" von Alexander Mosolow. Nachdem der Pianist und Organist Keith Emerson, der beim Guldas "Musikforum" mit der Gruppe "The Nice" auftrat, gemeinsam mit Greg Lake und Carl Palmer die Gruppe "Emerson, Lake & Palmer" gegründet hatten, wurden "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky ab 1970 und "Fanfare for the Common Man" von Aaron Coopland ab 1977 auch für Rockband eingespielt. Und nichts anderes machte die deutsche Rockband "Tote Hosen", als sie anlässlich des 75. Jahrestages der Eröffnung der Propaganda-Schau "Entartete Musik" am 24. Mai 2013 gemeinsam mit dem Symphonieorchester der Düsseldorfer Robert Schumann Musikhochschule das Konzert "Entartete Musik" gaben.
Dazu braucht es auch Grundlagen, um sich dann in Folge mit derartigen Projekten beschäftigen zu können. Dazu konnte schon in der 1960er Jahren das Kärntner Landeskonservatorium die Grundlagen in der Musik liefern. Und dazu kam auch das grundlegende Erlernen der Analyse von Werken der Musik und der Literatur, wie sie dann in der Kunstform Oper zusammengeführt werden. Dazu konnte Wolfgang Jack am Zweiten Bundesgymnasium die Grundlagen liefern im Deutschunterricht mit der Analyse von Opernwerken, wobei da als Grundvoraussetzung zu berücksichtigen ist, das bei Opern Musik und Libretto kongruent sein müssen. Das traf und trifft bei Richard Wagner nachweislich nicht zu, warum ich also bis heute keine einziges Werk von Richard Wagner in meiner Tonträgersammlung habe. Diese ausgewiesene Schwäche Richard Wagners hing und hängt wohl auch mit seinem praktizierten Rassismus und Antisemitismus zu. So wurde in den 1970er Jahren in Klagenfurt im Zweiten Bundesgymnasium am Beginn der Ära von Bruno Kreisky bereits mit modernsten Unterrichtsmethoden kulturelle Bildung als Rüstzeug für künftige Arbeit und Berufe vermittelt. Wie schon gesagt, mit Wolfgang Jack hat es einen Deutsch-Unterricht gegeben, der uns nicht nur die Deutsche Sprache vermittelt hat sondern die modernen Sprachtheorien eines Noam Chomsky, aber auch die Künste, Kultur, Geschichte, sogar Zeitgeschichte in Verbindung mit dramatischer Literatur, wenn ich an das Drama "Andorra" von Max Frisch denke. So ist uns schon 1972 im Alter von 16 Jahren durch die Kenntnis des Schauspiels "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth die Verstrickung der katholischen Kirche in die NS-Diktatur und der Vernichtung der europäischen Juden im Holocaust bewusst geworden. Davon habe ich Rolf Hochhuth bei einem Treffen in seiner Berliner Wohnung erzählt, er ist sehr erstaunt gewesen, dass es solch fortschrittliches Lehrpersonal schon in den 1970er Jahren in Österreichs südlichster Provinz gegeben hat. Und ähnliches galt für den Musikunterricht, in dem uns Ernst Scherzer den Raum gab, auch unsere Musik zu präsentieren. Und dazu zählte auch die Rockband "Deep Purple", deren Musiker alle eine klassische Ausbildung durchliefen und in ihrer Musik auch immer wieder Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn oder Ludwig van Beethoven zitierenderweise verwenden. Und Ernst Scherzer hatte auch in den 1990er Jahren Friedrich Guldas "Musikforum" in Viktring wiedermitbegründet. So korrespondieren historische und kulturelle Ereignisse miteinander.

Home Projekte