"Topoi der Belagerung"

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Während des Trojanischen Kriegs führte eine Koalition griechischer Staaten eine zehn Jahre dauernde Belagerung der Stadt Troja durch. Dieser Krieg ist einer der wichtigen Ereignisse in der griechischen Mythologie und auch ein doppelter Topos in Geschichte und Literatur, eben ein Topoi.

Dies ist in der europäischen klassischen und griechischen Literatur erhalten im epischen Gedicht "Ilias" des legendären Dichters Homers, darin werden allerdings nur die letzten 51 Tage der zehn Jahre dauernden Belagerung in ein Gedicht konvertiert geschrieben im daktylen Hexameter. Bis heute wird die Homerische Frage - betreff von wem, wann, wo und unter welchen Umständen die zwei epischen Gedichte korrespondierend mit dem Trojanischen Krieg, "Ilias und Odyssee" geschrieben worden sind - weiter debattiert. Ebenso seinen Platz in der europäischen klassischen und römischen Literatur hat das epische Gedicht "Aeneis" geschrieben vom Dichter Publius Vergilius Maro ebenso niedergeschrieben in daktylen Hexametern zwischen den Jahren 29 und 19 nach dem alten Julianischen Kalender. Diese epischen Gedichte wurde Topoi in der europäischen Welt der Literatur als Werke der Literatur, die mit eben einem anderen Topoi, dem der Belagerung, korrespondieren, die das Leben von Millionen von Menschen vom Beginn der Geschichte der Menschheit bis heute existentiell beeinflussen als "Formen des Lebens" (dies ist ein Zitat aus einem gemeinsam geschrieben Essay und Buch von Dževad Karahasan und Herbert Gantschacher). So wurde beispielsweise die Belagerung von Jerusalem im ersten Jahrhundert des neuen Julianischen Kalenders (und die Stadt Jerusalem hat bis heute mehrere Belagerungen in verschiedenen Formen gesehen!) von Titus Flavius Josephus in "Das Buch der Geschichte des Jüdischen Kriegs gegen die Römer" aufgezeichnet. Die Belagerung von Konstantinopel und die Eroberung der Stadt beendete im Jahr 1453 das Byzantinische Reich, das durch den Römischen Kaiser Konstantin den Großen im Jahr 330 errichtet worden ist. Seit dem Jahr 487 nach dem alten Julianischen Kalender ist die Stadt ein Topoi der militärischen Belagerung. Der Fall von Konstantinopel markierte in der europäischen Geschichte auch den Wechsel vom Mittelalter in das Zeitalter der Renaissance. Dieses historische Ereignis ist in der Erzählung "Die Eroberung von Byzanz" vom österreichisch-jüdischen Schriftsteller Stefan festgehalten worden als eine der vierzehn "Sternstunden der Menschheit" erstmals veröffentlicht im Jahr 1940 im Exil in englischer Sprache. Um eine Belagerung zu verhindern wurde die Stadt Venedig auf Millionen von Holzstämmen erbaut verbunden mit Eilands in der Lagune von Venedig. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts konnte die Stadt nicht erobert werden. Beendet wurde dies im Jahr 1797 mit der Übergabe der Stadt an Napoleon. Venedig wurde dann Teil der Monarchie des Erzhauses Habsburg. In den revolutionären Jahren 1848 und 1849 wurde die Unabhängigkeit von Venedig für kurze Zeit wiedererrichtet. Doch der erste Luftkrieg begonnen am 22. August 1849 beendete die kurze Zeit der Unabhängigkeit, Truppen des Reiches der Habsburger bombardierten die Stadt mit Feuerbomben abgeworfen aus Heißluftballonen und eroberten so die Stadt zurück, die darauf hin mit einem Damm und einer Eisenbahnlinie an das Festland angeschlossen wurde. Von 1915 bis 1918 wurde Venedig erneut bombardiert und belagert durch kaiserliche und königliche Kriegsflugzeuge der Monarchie des Erzhauses Habsburg.
Im 20. Jahrhundert sind die Topoi der Belagerung eindrucksvoll belegt im Zweiten Weltkrieg durch die Belagerung der Stadt Leningrad von 1941 bis 1944 und im Bosnischen Krieg durch die Belagerung der Stadt Sarajevo von 1992 bis 1996. Die militärische Blockade der Stadt Leningrad bewerkstelligt durch die Deutsche Wehrmacht und deren Verbündeten verwandelte die Stadt in das größte Konzentrationslager des Zweiten Weltkriegs. Das Ziel der deutschen Politik der Nazis war es die Stadt und deren Bewohner zu vernichten. Tausende von Menschen starben den Hungertod. Aber die Stadt und die Menschen stemmten sich gegen diese Belagerung. Sie versuchten den Lebensverhältnissen entsprechend zu überleben. Und das kulturelle Leben kam nicht zum Erliegen. Die Produktion von Musik, Literatur und Film ging weiter, weil eben die kulturelle Produktion ein Bedürfnis der Menschen war, um in der Stadt überleben zu können. Und die Stadt wurde durch die Peter-Paul-Festung gelegen am Fluss Newa beschützt. Heute markieren Denkmäler rund um die Stadt jene Linie, wie weit die Deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten vorgedrungen waren, um die Stadt einzukesseln. Die Peter-Paul-Festung wurde im 18. Jahrhundert erbaut als moderner militärischer Bezirk am Fluss der Newa zum Schutz der Stadt St. Petersburg (der alte und neue Namen der Stadt Leningrad). Ebenso wurde im 18. Jahrhundert die Festung von Theresienstadt erbaut, aber diese Festung hat in Folge bis heute nichts beschützt. Erbaut in zwei Teilen die Große Festung wurde benutzt als Kaserne und die Kleine Festung wurde zu einem militärischen Hochsicherheitsgefängnis. Hier wurden die Mörder von Sarajevo im Herbst 1914 inhaftiert mit der kleinen Gruppe von drei Personen um Gavrilo Princip, der selbst angekettet in einer Einzelzelle in Dunkelhaft gehalten wurde, dort starb er im Frühjahr 1918. im Zweiten Weltkrieg wurde Theresienstadt zu einem Konzentrationslager. Aber auch hier im Konzentrationslager von Theresienstadt wurde die kulturelle Produktion nicht gestoppt. Die jüdischen Gefangenen mussten sich ihr Recht erkämpfen, Musik, Theater, Literatur, Oper und Bilder produzieren zu können. So entstanden Werke von außerordentlicher Qualität wie dies beispielsweise die erhaltene Musik von Hans Krása, Pavel Haas, Viktor Ullmann und Gideon Klein eindrucksvoll veranschaulichen. Von 1992 bis 1996 während des Bosnischen Kriegs wurde die Stadt Sarajevo belagert durch Truppen der Republika Srpska, verbliebenen Truppenteilen der Jugoslawischen Armee und paramilitärischen Gruppen. Das Ziel dieser Blockade war es, die Menschen und die Stadt zu vernichten. Die Belagerung von Sarajevo war die längste in der modernen Geschichte und dauerte mehr als ein Jahr länger als die Belagerung der Stadt Leningrad.
Nun vermitteln aber die Topoi der Belagerung wesentlich mehr Bedeutungen und Deutungen als die der militärischen Blockade niedergeschrieben in verschiedenen Formen der Kunst und der Literatur. Die Topoi der Belagerung existieren als "Formen des Leben", und diese Formen sind die Hauptthemen des Projekts.
Das Projekt bestehend aus einer Ausstellung, Vorstellungen, Konzerten und einem Symposion wird die verschiedenen Korrespondenzen der Topoi der Belagerung im 20. Jahrhundert in Bezug auf die Städte Sarajevo, Theresienstadt, St. Petersburg / Leningrad herausarbeiten korrespondierende zu den Topoi in Geschichte, Kunst und Literatur von der Vergangenheit bis in die heutige Gegenwart um die Essenz solcher Topoi von Konflikten herauszuarbeiten und wie solche Konflikte durch die Formen des Dialogs vermieden werden können.

Kuratiert durch Irene Suchy, Dževad Karahasan und Herbert Gantschacher.
Realisiert und produziert durch Österreich (Institution "maezenatentum.at", Wien), Slowenien (Goriški Muzej, Nova Gorica), Österreich (ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater, Klagenfurt-Salzburg-Wien), Deutschland (Dokumentationszentrum Prora auf der Insel Rügen mit Sitzen in Berlin und Prora) und Bosnien und Herzegowina (Nationalgalerie von Sarajevo und Universität von Sarajevo).
Die federführende Institution ist aus Österreich (Institution "maezenatentum.at", Wien mit Irene Suchy als verantwortliche Hauptproduzentin). Die koorganisierenden Institutionen sind aus Slowenien (Goriški Muzej, Nova Gorica), Österreich (ARBOS - Gesellschaft für Musik und Theater, Klagenfurt-Salzburg-Wien), Deutschland (Dokumentationszentrum Prora auf der Insel Rügen mit Sitzen in Berlin und Prora) und Bosnien und Herzegowina (Nationalgalerie von Sarajevo und Universität von Sarajevo).

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